Acta litterarum
  • ACTA LITTERarum ►
  • Ulrich Schödlbauer ►
  • Ton Stein Haus ►
  • Das Haus der Iokaste 
  • Iablis |
  • GlobKult |
  • Grabbeau |
  • E-Mail |
  • EditionZeno |
  • Manutius
◄
  • Ortstermin
  • Aufbruch
  • Geräusch
  • Tafelsilber
  • Abfall
  • Blendwerk
  • Zweikampf
  • Aufwachen
  • Männer
  • Bilanz
  • Schreien
  • Blindsein
●


●
  • Black Box
  • Hiersein
  • Bande
  • Verschiebung
  • Fluchten
  • Hass
  • Perfektsein
  • Rascheln
  • Gemetzel
  • Starlight
  • Blöße
  • Atmen
►

Das Haus der Iokaste von Ulrich Schödlbauer. Zeichnungen: Manuel Krings
© Acta litterarum 2010

TEIRESIAS

Der Blick, der sich von den Gemetzeln erhebt,
trifft die Sterne. Das ist so, seit es Menschen gibt.
Sicher gibt es Gründe dafür, dass das so ist. Aber
sie sind für nichts.
Das den blutbesudelten Händen für immer Entrückte
glänzt. Nichts weiter. Es glänzt. Man kann bequem
darunter hergehen und hat
es schon vergessen im Fortgang.

DIONYSOS

Lass uns reden, Iokaste. Wovon du sprichst,
davon verstehe ich nichts. Dass ich mich auf dich
verstehe, davon gibt es Proben zuhauf.
Also hör mir zu, nachdem ich
lange geschwiegen habe, gebannt
von deiner Rede, die auch
ein langes Schweigen war, wie wir beide
wissen. Lass mein Schweigen mit deinem reden.

IOKASTE

Was willst du?

DIONYSOS · IOKASTE

Dass du ein wenig taub bist,
finde ich nicht so schlimm wie der,
mit dem du gerade schläfst. Mein Schweigen
redet so gut zu dir wie meine Stimme.

Dann sprich.

Wenn du keine Zeit hast,
dann lass es mich wissen.
Ich ziehe mich gern zurück.
Nicht sehr weit, wie du weißt.
Da wir beide dieselbe Zeit bewohnen,
müssen wir uns nicht sehen. Es
genügt das Schlagen einer Tür
oder ein Lufthauch. Meine Zeit ist deine,
auch das weißt du.

Was willst du mir sagen?

DIONYSOS · IOKASTE

Wenn du kein Gefühl hast, das dir sagt,
was zu tun ist, dann nimmst du ein anderes.
Diese Gabe
hast du von mir.

Wenn ich ein Gefühl habe, das mir sagt,
was zu tun ist, dann nehme ich ein anderes.
Diese Gabe
habe ich von mir.

DIONYSOS · IOKASTE

Wenn du dich taub stellst, rede ich.
Dieses Leben, auf das du stolz bist,
muss mich ertragen. Auch gegen mich
stellst du dich taub, aber das
scheint dir nur so. Diese Taubheit
ist nur für dich und du durchschaust sie.

Wovon redest du überhaupt?
Dass ich zurückstecken soll?
Dass ich die Ziele streichen soll,
die ich mir gesteckt habe? So primitiv
geht es nicht zu und damit brauchst
du mir nicht zu kommen.

Wenn du deine Ziele erreicht hast,
wirst du dich aufhängen. Der kleinste Faden
wird dir genügen. Heute nicht sichtbar,
wird er zur Hand sein, wenn du ihn brauchst.
Da du mich nicht ansiehst,
wird mein Gesicht die Schlinge sein,
in die du deins einsetzt.

DIONYSOS · IOKASTE

Du drohst mir?

Unbedingt.

Das ist lächerlich.

Aber sicher.

Womit?

Mit dir.

Vergiss es.

DIONYSOS

Du weißt, dass ich mich nicht mit Gründen aufhalte.
Du weißt, dass ich mich überhaupt nicht aufhalte.
Du weißt, dass es kein Überhaupt gibt,
aus dem ich nicht spreche.
Du weißt, dass du ohne mich
keine Silbe herausbringst, geschweige denn eine,
die nicht verletzt.
Du weißt, dass dich kein Spiegel enthält,
aus dem ich dich nicht ansehe.
Du weißt, dass du dich keine Sekunde erträgst,
es sei denn, du erträgst mich.
Du weißt, dass du mich nicht erträgst,
es sei denn, du erträgst dich.
Wenn dich deine Zeitgestalt schreckt,
bin ich dein Erschrecken.
Wenn ich dir drohe,
dann drohst du dir selbst.

IOKASTE

Ich bin nicht die Frau, die du meinst.
Dass mich keiner gemeint hat,
ist mein Stolz.