Nichts entsteht ohne Zutun.
So soll es sein. Ein bisschen weniger Zutun lässt
ein bisschen weniger entstehen und schon
lahmt die Welt oder dreht sich im Kreis.
So greift, was entsteht, seine Helden.
Auffällig sind sie nicht, dafür stehen
sie überall vorn. Man sieht sie
besser als andere, nicht genauer, doch anders.
Ihre Rede besitzt einen Klang,
der Widerspruch ausschließt, es sei denn er kommt
von ihresgleichen. Mit denen stehen
sie immer im Austausch. Die anderen, die
ein bisschen weniger Sichtbaren wissen das,
sie treten bescheidener auf und mehren das Ihre.
Keiner weiß, was sie denken, und tritt es einmal zu Tage,
so gleicht es dem Denken der anderen, nüchterner nur und
bedacht auf Ausführung, wo sonst eine Skizze genügte.
Sie sind die Vollstrecker. Gnadenlos nennt man sie. Sicher
trifft das viele. Furchtlos gegen sich selbst
fahren sie gegen Abgründe an, als seien es Ebenen.
Endlos dehnt sich, was vor ihnen liegt, ein Revier für Kräftige
oder Zarte mit eisernem Willen. Wo kein Durchkommen ist,
ordern sie Autobahnen.
Niemand hält sie auf außer ihresgleichen,
es sei denn, der Plan ändert sich oder es schlägt
ein Systemwechsel ein, der sie aus der Bahn wirft.
Sie sind die Zweiten, von denen man sagt, dass sie
besser sein müssen als ihresgleichen. Das treibt
sie an die Spitze.
Alles weitere
regelt die Mode. Das ist schön, denn
es belebt das Herz. Wo so ein Herz schlägt,
zerfällt manches und Berge von Schutt
türmen sich auf, die der vorwärts gerichtete Blick
seltener streift... nur an der Stirn
herrscht Perfektion, gleich dahinter
hantiert die Enttäuschung. Auch sie will
nicht umsonst gelebt haben, sie holt sich im Nachgang,
was nicht zu haben ist.
Dort entdeckt sie die beschwiegene Seite der Regel,
das Unbedachte, das keiner sehen will.
Schon der Anblick vergiftet.
IOKASTE · ÖDIPP
Ödipp?
Ja?
Ich kann dich brauchen.
Nicht jetzt. Worum gehts denn?
Das erzähl ich dir später.
Was kann ich tun?
Ich kanns auch allein.
Kommt nicht in Frage.
IOKASTE
Sei nicht enttäuscht, wenn
nicht kommt, was kommen soll, und
du hast dir nichts vorzuwerfen, denn
das ist die Hauptsache. Es sei denn, die
Nebensache treibt dich ins Unglück:
dann solltest
du sie lassen.
Bedenke aber
die Zeit, die du uns nimmst.
Diese Zeit kommt nicht wieder,
sie ist jetzt. Auch ich bin jetzt,
wer ich morgen bin, weiß niemand.
Du denkst, ich könnte warten, aber das
kann ich nicht. Gerade das ist unmöglich.
ÖDIPP
Ich weiß, dass du nicht warten kannst.
Ich weiß, dass ich dir schulde, was ich nicht habe:
Zeit. Deine Zeit ist nicht die meine
und deine ist jetzt. Auch meine ist jetzt,
aber sie weicht schon. Sie kann warten, obgleich
auch sie mir bedeutet, dass sie mit anderen geht.
Besser sie als du. Dass ich dich halte,
bedeutet mir viel. Der Satz macht andere lachen,
dabei ist er der Satz des Tigers, der seine Beute reißt.
Dass ich ihn sprechen darf,
macht mich beklommen. Er kommt
aus dem Mundwinkel und geht viel-
stimmig in dich hinein. Teiresias sagt,
dass ich mich versäume. Teiresias ist
ein alter Mann, der viel versäumt hat. Ich sehe nicht,
was er mir voraushätte. Vielleicht versäume ich mich.
Wer sagt denn, dass ich es nicht will?
Gegenwart, die in den Augen brennt
und nicht loslässt. Was gewesen ist,
steht in Kisten herum, die keiner
auspackt. Was kommen wird,
ist schon drin oder wartet vergeblich.
Was festhält, zählt. Es zählt mit,
es zählt die Sekunden, die es verprasst,
es zählt die Minuten, die Jahre, es zählt,
was zahllos sein könnte, so sehr
zählt, was nicht zählt, seine Zeit.
ÖDIPP
Als man den Frauen einredete, sie seien besser,
muss ich sehr jung gewesen sein, genauer:
es war vor meiner Zeit. Bloß den Rammstoß
lernte ich kennen, die lachhafte Anmaßung.
Erst Iokaste lehrte mich, dass
es auch ohne sie geht. Dafür bin ich ihr dankbar.
Dass sie die Frauen fernhält, das ist vielleicht
ihre wichtigste Aufgabe und ich bin nicht der,
es ihr zu wehren. Der Preis, den ich dafür zahle,
ist hoch. Aber ich kann mich nicht entschließen,
ihn zu hoch zu nennen. Ein Deich
ist so hoch, wie die Flut es verlangt.
Keine Aussicht haben
ist vielleicht die beruhigendste.
Schlaf, aus dem rosa Fenster stürzend, verliert
ein Gesicht, welches, erfährst du nie.
Mach dich bereit, dem zu folgen, was ansteht, es
lächelt nur kurz, schon hebt es die Braue.
Möglich, dass es verschwand. Möglich,
dass nur sein Bild verblasste und Farbe ihm aufhilft.